„Wir haben die Corona-Krise als ‚digitale Chance‘ genutzt“

Gebhard Kaiser, Vorstandsvorsitzender der Kolping Akademie in Bayerisch Schwaben und dem Allgäu, über die Lehren aus der Corona-Pandemie

Herr Kaiser, Sie sind jetzt seit acht Jahren Vorstandsvorsitzender des Kolping-Bildungswerks in Bayerisch Schwaben und dem Allgäu. Im Rückblick und einmal abgesehen von der Corona-Pandemie: Was waren die größten Herausforderungen Ihrer bisherigen Amtszeit?

Gebhard Kaiser: Seit meinem Antritt 2013 hat es etliche Herausforderungen gegeben, die wir allerdings alle sehr gut bewältigen konnten. Ich denke da zu allererst an das Jahr 2015, als im Zuge der „Flüchtlingskrise“ fast eine Million Flüchtlinge, Migranten und andere Schutzsuchende nach Deutschland kamen. Diesen Menschen den Neuanfang in ihrer neuen Heimat zu erleichtern, mit Deutsch- und Integrationskursen sowie Schulungen für ihre neuen Berufe, war unser großes Anliegen – aber auch eine immens große Herausforderung.

Des Weiteren war es in den vergangenen Jahren notwendig, einzelne Bildungseinrichtungen, wie Neu-Ulm, Donauwörth, Memmingen oder auch Augsburg, baulich und technisch auf den neuesten Stand zu bringen, da sie teilweise ziemlich in die Jahre gekommen waren. Um fit für die Zukunft zu sein, haben wir deshalb in den letzten zehn Jahren in Gebäude und Geräte 29 Millionen Euro investiert.

Schließlich war auch das Jahr 2014 eine herausfordernde Zeit. Ein Schlüsseljahr für unsere Außen-darstellung, als aus dem Kolping-Bildungswerk in der Diözese Augsburg e.V. mit neuem Logo, neuem Internetauftritt und neuem Konzept die Kolping Akademie wurde: Als bewährter Partner mit dem Fokus auf dem Menschen, aber mit frischem Auftreten.

Die fortschreitende Digitalisierung erfasst zunehmend den Bildungssektor und die Erwachsenenbildung. Wie „digital“ ist die Kolping Akademie denn inzwischen?

Gebhard Kaiser: In Sachen Digitalisierung und digitalisierter Bildungsarbeit befinden wir uns auf einem sehr guten Weg, auch wenn dieser gesamte Prozess natürlich eine immens große Herausforderung für die Kolping Akademie, wie für alle Bildungseinrichtungen, darstellt.

Besonders möchte ich hervorheben, dass wir die Corona-Krise als „digitale Chance“ genutzt haben und uns in allen Bereichen enorm weiterentwickelt haben. Wir haben es in kürzester Zeit geschafft, unser Lern- und Bildungsangebot noch digitaler zu gestalten und neue Elemente zu integrieren. Heute ist es also problemlos möglich, dass unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer jederzeit ins virtuelle Klassenzimmer wechseln und zusätzlich auf digitale Lerninhalte und -plattformen zurückgreifen. Selbst im Lockdown ist so die individuelle und persönliche Betreuung gesichert. Auch Menschen, die finanziell nicht so stark aufgestellt sind, können wir weiter fördern, indem wir diesen beispielsweise Tablets zur Verfügung stellen, welche auch zu Hause genutzt werden können.

Um als Bildungsanbieter auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben, investieren wir pro Jahr rund 250.000 Euro allein für Hard- und Software in unsere Standorte. Dazu kommen noch die Investitionen in Personal, Schulung und Betreuung. Zudem müssen sich auch unsere Lehrenden im Bereich Digitalisierung fortbilden – dies unterstützen wir beispielsweise mit einem eigenen Mitarbeiterfortbildungsprogramm.

Schließlich ist es für uns auch wichtig, dass es nicht nur um Hard- und Software geht, sondern um eine neue Lernkultur. Wir müssen die Problemlösungskompetenz fördern – mit Unterstützung von digitalen Medien. Hier richtet sich auch mein Appell an die Politik, dass eine Gesamtstrategie entwickelt wird, in der auch insbesondere die nicht staatlichen Bildungsträger stärker berücksichtigt werden.

Soll das Angebot der Kolping Akademie dann komplett digital werden?

Gebhard Kaiser: Die entscheidende Frage wird in den nächsten Jahren sein, wie wir es als Kolping Akademie schaffen, unsere Angebote den technologischen Anforderungen anzupassen, digitale Formate zu integrieren – und dabei diejenigen Lernformen beizubehalten, die von praktischen Anleitungen leben. Beispielsweise unsere diversen Ausbildungs-Maßnahmen im handwerklichen Bereich, bei denen es ja immens wichtig ist, dass wir die Menschen auch praktisch auf ihre Berufe vorbereiten. In der Zukunft wird es deshalb, noch mehr als bisher, auf die richtige Mischung unseres Angebots ankommen.

Worauf wollen Sie den Fokus der Bildungsarbeit der Kolping Akademie noch legen?

Gebhard Kaiser: Gute Sprachkenntnisse sind für mich die wichtigste Voraussetzung für einen gelungenen Start in einem neuen Land. Deshalb liegen mir auch ganz besonders unsere Sprach- und Deutschkurse am Herzen, für alle diejenigen, die neu nach Deutschland gekommen sind. Für mich ist die Sprache der Schlüssel zur Integration und deshalb müssen wir unser Angebot in diesem Bereich, neben den Kursen zur beruflichen Qualifikation, unbedingt weiterhin beibehalten und mit Leben füllen.

2019 wurde in Kempten die Internationale Kolping-Pflegeschule gegründet. Welche Anliegen verbergen sich denn hier?

Gebhard Kaiser: Mit der Gründung der Internationalen Kolping-Pflegeschule in Kempten verfolgen wir nach wie vor zwei Anliegen: Zum einen möchten wir Menschen, die aus ihren Heimatländern zu uns geflüchtet sind, bei der Integration helfen und die Möglichkeit bieten, zukunftssichere Berufe zu erlernen. Zum anderen setzt die Pflegeschule natürlich auch beim allseits bekannten Fachkräftemangel in der Pflege an. So werden im nächsten Jahr, wenn unsere ersten Auszubildenden ihre Lehre zur Pflegekraft abschließen werden, viele gut ausgebildete und hoch motivierte Absolventinnen und Absolventen aus aller Welt zahlreiche Pflegeeinrichtungen bereichern.

Wo sehen Sie in den nächsten Jahren, abgesehen von dem Vorantreiben der digitalen Bildungsarbeit, großen Handlungsbedarf?

Gebhard Kaiser: Um weiterhin zukunftsfähig zu sein, sehe ich großen Handlungsbedarf in der organisatorischen Ausgestaltung unserer Rechtsform. So ist die derzeitige Gesellschaftsform, der Verein, für ein Bildungsunternehmen wie die Kolping Akademie, mit so vielen Standorten, Beteiligungen und einem Umsatz von über 30 Millionen Euro im Jahr, vielleicht nicht mehr zeitgemäß und die richtige Lösung. Getreu dem Motto, nie stehen zu bleiben und die Zeichen der Zeit zu erkennen, wird uns diese Frage deshalb in den nächsten Jahren beschäftigen.

Die Kolping Akademie ist ja auch (Mit-)Betreiber von mehreren Hotels: dem Hotel Alpenblick in Ohlstadt, der KurOase im Kloster in Bad Wörishofen, dem Tagungshaus in Reimlingen und dem Management Centrum Schloss Lautrach. Auch hier wurden in den letzten Jahren große Summen investiert. Was war die Intention?

Gebhard Kaiser: Die Intention hinter den Investitionen in unsere Hotels, wie die erst kürzlich getätigten über 4 Millionen Euro für die Generalsanierung des Hotel Alpenblick, ist ganz klar die Gesundheit. Wenn Sie das wunderbar gelegene Hotel Alpenblick in Oberbayern oder die klösterliche Atmosphäre der KurOase im Kloster in Bad Wörishofen hernehmen: In beiden Hotels können sich unsere Gäste mithilfe der „5 Säulen der Gesundheit“ nach Sebastian Kneipp ihrer Gesundheit widmen und zur Ruhe kommen. Privat, im Rahmen von Kurzurlauben oder mehrtägigen Arrangements. Oder beruflich, in Form von betrieblichen Fort- und Weiterbildungen. Und auch mit dem Kolping Hotel Alsópáhok nahe dem ungarischen Plattensee, an dem wir beteiligt sind und das in diesem Jahr 25-jähriges Jubiläum feiert, verfolgen wir diesen Ansatz:  Hier schenken wir Familien ein Stück ‚Heimat auf Zeit‘ und die Möglichkeit zur Erholung. Schon allein deshalb lohnen sich die Investitionen in die stetige Erneuerung und Verbesserung unserer Häuser.

Als Vorstandsvorsitzender der Kolping Akademie haben Sie bestimmt auch eine besondere Beziehung zu Adolph Kolping. Wie würden Sie diese beschreiben?

Gebhard Kaiser: Adolph Kolpings Handeln und sein Ansatz, ein guter Staatsbürger zu sein und die Familie in den Mittelpunkt zu rücken, hat mich immer geprägt und beeinflusst meine Arbeit bis heute. Kolping hat zudem schon vor 200 Jahren die Nöte der Zeit erkannt und vielen Menschen mit Bildung und Unterkunft ein besseres Leben ermöglicht: Dass die Kolping Akademie bis heute diesen Ansatz verfolgt und auch weiterhin verfolgen wird, ist mein Antrieb und unser aller Auftrag.

Lieber Herr Kaiser, vielen herzlichen Dank für das Gespräch!

Pressestelle / Die Kolping Akademie

Corona als digitale Chance: Gebhard Kaiser über die Entwicklung der Kolping Akademie